Liebe Eltern,
ich fühle mich im Moment etwas verloren und wünsche mir Meinungen oder Ratschläge.
Kurz zum Hintergrund... Wir leben seit über 10 Jahren als Patchworkfamilie, meine Tochter ist 15, der Sohn meines Lebensgefährten ist 12.
Meine Tochter steckt mitten in der Pubertät und die schlägt bei ihr voll ein. Sie hat sich sehr von uns abgekapselt, redet kaum noch mit uns, ist viel draußen mit Freunden. Sie zeigt leider auch ein sehr rücksichtsloses und egoistisches Verhalten. Sie hat hohe Ansprüche und fordert viel (Geld, Klamotten, Ausgehzeiten etc.), ist aber nicht bereit, etwas dafür zu tun oder zurückzugeben. Alles in allem vielleicht ein normaler Teenager, dennoch belastet es das Familienleben stark. Wir sind als Eltern nicht besonders streng aber wir sehen es schon so, dass jeder seinen Teil beitragen muss und man aufeinander Rücksicht nimmt. Das sieht sie aber gar nicht ein und zieht ihr Ding durch.
Vor ein Paar Wochen ist eine Situation eskaliert. Dazu muss ich sagen, dass meine Tochter sehr empfindlich auf Kritik reagiert und kein NEIN akzeptieren kann. Sie geht schnell hoch, wird hysterisch und geht unter die Gürtellinie. Jedenfalls ist die Atmosphäre seit dem noch angespannter. Sie sagt, sie fühlt sich bei uns nicht wohl und möchte weg. Es wäre die Hölle bei uns.
Jetzt hat sie sich mit ihrem Papa, mit dem sie bislang ein eher durchwachsenes Verhältnis hatte, zusammengetan und die beiden haben hinter meinem Rücken entschieden, dass sie zu ihm zieht. Er krempelt sein ganzes Leben um, zieht in unsere Richtung, damit sie nicht auf Freunde etc. verzichten muss. Man muss dazu sagen, dass ihr Papa schon immer alles für sie getan und sie sehr verwöhnt hat. Er kann ihr nichts abschlagen und macht das was sie möchte.
Meine Tochter hat mir das vor ca. einer Woche mitgeteilt, ihr Papa hat bisher noch kein Wort mit mir darüber gesprochen. Meine Tochter gibt mir die Schuld daran, dass sie sich zuhause unwohl fühlt. Ich wäre das Problem. Ich komme garnicht mehr an sie heran. Ich habe sicher Fehler gemacht aber bisher dachte ich immer, zwischen uns kann nicht kommen. Das alles setzt mir sehr zu. Ich mache mir Vorwürfe, bin wütend, verletzt und vor allem weiß ich nicht, was ich machen soll. Einerseits möchte ich ihren Wunsch respektieren, andererseits auch nicht. Ich habe Angst, dass wir nicht mehr zueinander finden. Unsere Familie ist nicht vollständig ohne sie, aber wir können gerade auch nicht miteinander. Es ist so verfahren und ich fühle mich hilflos.
LG Maphia
Liebe Maphia,
herzlich willkommen in unserer Elternberatung.
Sie beschreiben eine Situation, wie ich sie in letzter Zeit häufiger in unserer Erziehungsberatungsstelle geschildert bekommen habe. Der Papa stellt materielle Dinge in Aussicht und das Kind ist ist weg. So ganz kurz gesagt. Das ist natürlich eine schmerzhafte unsd auch sehr verletztende Situation für Sie als Mama, die sich um so unzählige Alltagsthemen gekümmert hat. Aber wie gesagt, kein Einzelfall, auch wenn das kein echter Trost ist.
Kinder kommen auf die Welt und fordern. Das müssen sie, weil sie allein hilflos sind. Doch sie sind nicht lange so hilflos und könnten alsbald altersgerecht kleine Dinge eigenverantwortlich übernehmen. Doch die Eltern haben gut gelernt und füllen ihre Dienstleisterrolle weiterhin perfekt aus. Die Kinder glauben derweil, dass ihnen die Dienstleistungen der Eltern selbstverständlich zustehen. So spielt es sich in den meisten Haushalten ab.
Nun ist ihre Tochter 15 und ihr Vater offeriert ihr die Erfüllung vieler Wünsche. Nebenbei bemerkt scheint es ihr ja bei Ihnen sehr gut gegangen sein, sonst wäre diese Situation bereits schon viel früher entstanden. Mit 15 darf sie entscheiden, bei welchem Elternteil sie leben möchte, sofern es von Elternseite möglich ist. Die Entscheidung hat aller Wahrscheinlichkeit gar nichts mit Ihnen persönlich zu tun oder gar mit Fehlern, die sie sich vorwerfen - aber Sie sind die Normalität und der Papa stellt die Belohnungskiste dar. Raten Sie mal, wie sich die meisten Kinder entscheiden würden. Dazu kommt ein ganz normales Pubertätsverhalten, in welchem sich Kinder langsam von ihren engsten Bezugsperonen ablösen und gezwungen sind, sich gemeiner Waffen zu bedienen, weil sonst die Ablösung nicht funktionieren würde. Gleich noch eine Baustelle. Die geht jedoch irgendwann vorbei und Sie finden wieder zueinander, dann aber auf Augenhöhe.
Zur Ihrer Frage, was Sie tun können. Zunächst sollten Sie mit dem Kindsvater sprechen. Noch treffen Sie als Eltern die Entscheidung, beziehungsweise die Absprachen. Auch könnten, vielleicht auch sollten Sie, dies gemeinsam mit dem Jugendamt tun, denn es muss viel geklärt werden, falls es zur Umsetzung kommen kommt. Parallel oder im Anschluß sollten Sie sich als Elternpaar mit Ihrer Tochter zusammensetzen und die Bedingungen klären, vielleicht auch eine Probezeit vereinbaren und ihr zu verstehen geben, dass kein Elternhopping erwünscht ist und ihre Tochter eine Entscheidungsverantwortung trägt. Und sie schließlich schweren Herzens ziehen lassen, falls es dann noch dazu kommt. Sie haben Ihre Tochter trotzdem nicht verloren, diese Hoffnung möchte ich Ihnen aus meiner Erfahrung heraus gern machen.
Und ganz wichtig, bewahren Sie Ruhe.
Herzliche Grüße
bke-Nana-Berg